Justus Leve weiß jetzt mehr über das Berufsfeld Steuerberatung.
Ein ungewöhnliches Schuljahr unter dem Einfluss der Corona-Pandemie geht nun auch für die Schülerinnen und Schüler der Unterstufenklassen der Höheren Berufsfachschule für Wirtschaft und Verwaltung am Paul-Spiegel-Berufskolleg zu Ende. Sie haben ihren Unterricht im zweiten Halbjahr zu einem großen Teil in einer Mischform aus Arbeiten über die digitale Lernplattform der Schule, E-Mail-Kommunikation, Videokonferenzen und einer sehr reduzierten Zahl von Präsenzstunden erlebt. Wichtige Fächerthemen mussten trotz der Umstände fortgeführt und dabei auf viel eigenständigere Weise erarbeitet werden als es der „normale Unterricht“ üblicherweise fordert. Eine bis dahin einmalige Situation in den Lernbiographien aller Schülerinnen und Schüler.
Die individuellen Voraussetzungen für das Lernen unter diesen Bedingungen – das häusliche Lernumfeld, die vorhandene Ausstattung mit Hard- und Software, aber auch der persönliche Lerntypus – waren und sind sehr unterschiedlich. Die Erfahrungen mit dieser Zeit decken ein ebenso vielfältiges Spektrum ab, von: „Ich kann besser in der Schule lernen, wenn ich den Lehrer ansprechen kann und er mir etwas erklärt.“ bis: „Ich bin sehr gut zurechtgekommen damit, mir den Tag selbst einzuteilen und die Aufgaben für mich alleine zu machen.“ Ein anderer Schüler formuliert sein persönliches Fazit so: „Man kann sich jetzt ein bisschen besser vorstellen, wie es ist, später einmal an einer Fachhochschule zu studieren, wo man auch selbstständiger lernen muss.“
Kurz bevor das Berufskolleg am 16. März schließen musste, hatten die Schülerinnen und Schüler der Unterstufen glücklicherweise noch ihr verpflichtendes Betriebspraktikum absolvieren können und waren – wenn auch nur für kurze Zeit – mit neuen Erfahrungen aus der Arbeitswelt in den Unterricht zurückgekehrt. Im ersten Schulhalbjahr hatte viel Eigeninitiative aufgebracht werden müssen, um den persönlichen Neigungen entsprechend bei Banken, Versicherungen, Industrie-, Groß- und Außenhandels- sowie Einzelhandelsbetrieben, öffentlichen Verwaltungen, Rechtsanwälten und Steuerberatern einen Praktikumsplatz zu finden. Dass hierfür über 120 Praktikumsplätze überwiegend im Kreis Warendorf, aber auch darüber hinaus in den Räumen Münster, Oelde, Beckum, Osnabrück, Gütersloh und Dortmund gewonnen wurden, geht auf die große Bereitschaft der ansässigen Unternehmen, Behörden und Einrichtungen zurück, die Möglichkeit zur Selbsterprobung in der beruflichen Praxis zu gewähren.
Am Berufskolleg erwerben die Schülerinnen und Schüler dieses Bildungsgangs den schulischen Teil der Fachhochschulreife und besuchen Klassen der Profile Betriebswirtschaft, Sport und Gesundheit, Europa und Medien/S.A.P. Durch den Unterricht in den Fächern Betriebswirtschaft, Volks- und Außenwirtschaft, Wirtschaftsrecht und Steuerlehre verfügen sie über erste grundlegende Fachkenntnisse. Im Praktikum erfuhren sie die Bedeutung dieser schulischen Inhalte.
Viele erlebten aus dem Privatleben bekannte Bereiche jetzt einmal aus einer anderen Perspektive. „Ich kenne Fitness-Studios aus der Sicht des Kunden,“ berichtete Lasse Vißing kurz nach seinem Praktikum. „Aber jetzt konnte ich die andere Seite kennenlernen, zum Beispiel wie das Marketing abläuft und worauf es bei der Betreuung von Kunden und Kundinnen ankommt. Man braucht hier nicht nur Wissen über Sport und den Körper, man braucht auch viel Menschenkenntnis.“ Dem stimmte auch Justus Leve sofort zu: „Man denkt vorher gar nicht, wie viel Zwischenmenschliches eine Rolle im Berufsleben spielt.“ Er hat sein Praktikum in bei einer Steuerberatung gemacht und durfte bei Kundengesprächen dabei sein. Besonders beeindruckt hat ihn außerdem eine zweitägige Hospitation bei der Geschäftsführung. „Ich habe im Praktikum auch noch einmal etwas über die verschiedenen Rechtsformen von Betrieben gelernt. Das war auch schon Thema im Unterricht.“ Einiges dazugelernt hat auch Nick Kleigrewe bei einem Versicherungsunternehmen: „Ich hatte vorher keine Ahnung von Versicherungen, jetzt weiß ich mehr.“ Freude und ein wenig Stolz schwingen mit, als er davon erzählt, dass er bei der Entwicklung eines Fragebogens für junge Leute eine ganz große Hilfe war und seine Ideen Anklang fanden: „Ich weiß ja, wie man junge Leute ansprechen muss.“
Wie ein großes Unternehmen mit Kunden aus aller Welt arbeitet, erfuhr Armin Kazic in einem Betrieb der Metallindustrie in Osnabrück. Wie seine Mitschülerinnen und Mitschüler lernt Armin am Berufskolleg Business English und erlebte jetzt ganz konkret, dass fremdsprachliche Kompetenzen bei einem international aufgestellten Unternehmen gefragt sind.
Neben dem Erlernen von berufspraktischen Fertigkeiten bot das Praktikum die Chance, die persönlichen Berufsvorstellungen in der Praxis kritisch zu überprüfen. „Ich weiß jetzt, dass ich gerne für Kundinnen und Kunden Räume gestalten möchte“, berichtet Verena Albers von ihrer Zeit in einem Warendorfer Betrieb. „Ich konnte beobachten, wie man auf Kunden eingeht und deren Wünsche ermittelt. So etwas kann ich mir für meine spätere berufliche Tätigkeit sehr gut vorstellen.“ Und für Jannis Wirth hat sich bestätigt, dass er doch eher der Praktiker ist. Nach einer „spannenden und coolen Zeit“ im Hotel- und Gaststättengewerbe hat sich sein Berufswunsch konkretisiert. Einige Schülerinnen und Schüler haben sich in ihrem Praktikum vielleicht sogar für einen späteren Ausbildungsplatz empfohlen.
Nicht nur kaufmännisches Arbeiten sondern auch gestalterische Tätigkeiten lernte Verena Albers kennen.