Wer am Hansetag in Warendorf die Ausstellung des Paul-Spiegel-Berufskollegs im Haus Bisping am Marktplatz betreten wollte, sah sich zunächst mit einer Einschränkung konfrontiert: „Zutritt verboten für Teetrinker und Ostgoten“. Direkt am Eingang bekamen die Besucher zu spüren, worum es hier ging: die Entstehung von Vorurteilen. So schnell kann es passieren, willkürlich einer Gruppe zugeordnet zu werden, die dann benachteiligt, ausgegrenzt, angefeindet und im schlimmsten Fall durch Gewalt vertrieben oder ermordet wird.
Dass die Eskalationskette vom Vorurteil bis zum Massenmord gar nicht mal so lang sein muss, verdeutlichte ein Gedicht von Josef Reding, das in übergroßen Buchstaben auf Bettlaken die Wände des ganzen Raumes einnahm. Von der Feststellung: „Die anderen sind anders als wir“ bis zum Vernichtungslager sind es bei Reding nur neun Schritte. Große Aufsteller im Raum zeigten an konkreten Beispielen auf, dass diese scheinbar übertriebene Steigerung eben doch zur Realität werden kann. Rosa Spiegel, die Schwester des Namensgebers des Paul-Spiegel-Berufskollegs, wurde mit elf Jahren in Auschwitz ermordet, nur weil sie Jüdin war. Auch das Schicksal der Familie Elsberg aus Warendorf war hier nachzulesen.
Kunstwerke mit integrierten Spiegeln lenkten den Blick der Betrachtenden immer wieder auf sich selbst: „Was habe ich eigentlich für Vorurteile?“, „Kann ich mich davon freisprechen, manchmal vorschnell über andere zu urteilen oder leichtfertig Vorurteile weiterzuverbreiten?“ An interaktiven Stationen gab es die Möglichkeit, die eigene Einstellung zu bestimmten Vorurteilen zu hinterfragen.
Viel Arbeit wurde in die Ausstellung investiert. Mehrere Klassen waren einige Monate damit beschäftigt, zu recherchieren, Fakten zusammenzutragen, Texte zu schreiben, Kunstwerke zu gestalten und das gesamte Erscheinungsbild der Ausstellung zu planen. An den Ausstellungstagen selbst waren es die elften Klassen des Beruflichen Gymnasiums für Gesundheit und Soziales, die die Gäste durch die Ausstellung führten und versuchten, mit Gleichaltrigen ins Gespräch über Vorurteile und deren Verbreitung zu kommen.
Was motivierte die Schülerinnen und Schüler, sich hier zu engagieren? Hier sind ein paar Antworten:
„Mir war es wichtig, den Menschen zu verdeutlichen, welch eine enorme Macht Vorurteile haben. Ich hoffe, sie konnten aus unserer Ausstellung viel mitnehmen, und versuchen nun, anderen Menschen offener entgegenzutreten.“ (Tabea Ellebracht)
„Mir hat das Projekt sehr gut gefallen, weil man direkt mit den Meinungen anderer konfrontiert wurde und auf diese sofort eingehen konnte. Man hat einen guten Einblick in das Denken der Anderen bekommen und auch neue Aspekte kennen gelernt.“ (Merle Wickord)
„Während der Ausstellung ergaben sich viele sehr persönliche Gespräche mit Menschen, die zum Teil Verwandte hatten, die unter der Judenverfolgung litten.“ (Lara Tewes)
„Die Führung hat sehr viel Spaß gemacht. Man bekam ein gutes Gefühl dafür, wenn andere wirklich zuhörten und man erkannte, wer das Thema ernst nahm.“ (Digana Sathyanantan)
„Mit hat besonders gut gefallen, dass man direkt mit den verschiedenen Vorurteilen konfrontiert wurde und dass es so viele Anstöße zum Überdenken seiner eigenen Äußerungen anderen gegenüber gab.“ (Johanna Waltering)
Impressionen vom Hansetag (der Klick auf ein Foto öffnet die Galerie):