Arbeiten in der Woche, Kulturprogramm am Wochenende: Antonia Bruns (hintere Reihe, 3. v. r.) zusammen mit den Praktikant*innen Kim Katter, Leni Schimweg, Karina Schabhüser, Jonas Albers, Simon Große Hundrup (hintere Reihe, v.l.n.r), Christina Warkentin, Verena Albers (vorne v.l.n.r.) besichtigten Schloss Schönbrunn
Waren sie 2021 noch mit viel Ungewissheit behaftet, konnten die Auslands-Praktika dieses Jahr fast schon wieder „normal“ durchgeführt werden, was sich nicht zuletzt darin zeigte, dass sich mehr Schülerinnen und Schüler bewarben als vom betreuenden Europateam des Paul-Spiegel-Berufskollegs erhofft worden war. Denn auch in diesem Jahr war Corona – wenn auch deutlich geringer – bei der Durchführung zu spüren. So mussten zwei Schülerinnen in Wien ihre eigentlich erste Praktikumswoche in Quarantäne verbringen. In Dublin waren beispielsweise noch nicht alle Betriebe dazu bereit, Teilnehmerinnen oder Teilnehmer für ein Praktikum aufzunehmen. Gleiches galt auch für die eine oder andere Gastfamilie, die in den Jahren zuvor zuverlässig Schülerinnen und Schüler bei sich beherbergt hatte.
Ende September ging es los, für 4 Wochen nach Wien, Dublin oder Sevilla. Dort arbeiteten die Schülerinnen und Schüler in Unternehmen, die ihrer Ausbildung und ihren Wünschen entsprachen. Sie lebten in Gastfamilien oder in Selbstversorgerappartements, besuchten Sprachkurse und tauchten in das Leben der Metropolen ein. Gefördert wurde das Praktikum durch „Erasmus+“. Aufgrund der Akkreditierung des Paul-Spiegel-Berufskollegs genießt es viele Vorzüge im Förderprogramm „Erasmus+“. Auch in diesem Jahr fällt die Förderung großzügiger aus, da das neue Erasmus-Programm höhere Fördersätze vorsieht.
Antonia Bruns ist Auszubildende im Tischlerhandwerk bei der Firma „Quadrat P“ in Münster. Sie besucht derzeit die Mittelstufe der Berufsschule am Paul-Spiegel-Berufskolleg und gehört zu den 28 glücklichen Bewerberinnen und Bewerbern aus unterschiedlichen Bildungsgängen, die vom Europateam der Schule für das Auslandspraktikum im September und Oktober 2022 ausgewählt wurden. Aufgrund ihrer Ausbildung vermittelte der österreichische Erasmus-Partner Antonia einen Praktikumsplatz in einem holzbearbeitenden Betrieb. In der Restaurierungswerkstatt von Leopold Joachim Breitenecker taten sich für Antonia ganz neue Betätigungsfelder auf.
Das Abenteuer ihres Erasmus+ Aufenthaltes in Wien startete sie zusammen mit elf anderen Schülerinnen und Schülern. Während sie vor Ort an den Wochentagen ihr Praktikum absolvierte, stand an den Wochenenden ein Kulturprogramm, organisiert durch den Partner, auf dem Plan. So besuchte die Gruppe das Obere Belvedere, das Schloss Schönbrunn, das Technische Museum und die Secession. „Besonders beeindruckt hat mich zudem das Sigmund-Freud-Museum, welches ich mit einem kleineren Teil der Gruppe besuchte“, so eine begeisterte Antonia. Weiter führt sie aus: „Nachhaltig geprägt haben mich jedoch weniger die geplanten, meist prunkvollen Touristenattraktionen, sondern die kleinen, in dem Moment vielleicht weniger auffälligen Momente. Oft denke ich so zurück an sonnige Flohmarktbesuche, die uns einerseits Übergepäck bescherten als auch Kontakt zu jungen Wiener*innen ermöglichten“. Fast tägliche Kaffeetreffen mit ihren Mitbewohnerinnen in Wiener Kaffeehäusern mit Sachertorte oder Apfelstrudel oder in hippen Cafés mit Postern von Kafka und flauschigen Cocktailsesseln boten Raum für Reflexionen der vielen neuen Eindrücke oder zum Beobachten der Wiener Gesellschaft.
Zu besprechen gab es viel – beispielsweise bezüglich der Praktikumsstellen. Leopold Breitenecker ist Tischlermeister und arbeitet seit 20 Jahren als Restaurator in Wien. In seiner Ein-Mann-Werkstatt restauriert er Möbel aus der Epoche des Biedermeiers, Jugendstils und des Historismus. Da dies eine völlig andere Tischlertätigkeit ist als die, die Antonia in ihrer Ausbildung erlernt, war sie dementsprechend neugierig, die Herangehensweisen eines Restaurators kennenzulernen. „Die aus meiner Sicht unglaublich kreativen und auf viel Erfahrung und Hintergrundwissen basierenden Tätigkeiten haben mich von Anfang an fasziniert und mir unglaublich viel Spaß bereitet“, so Antonia. Sie erlernte die Restauration von Bugholzstühlen aus dem 19. Jahrhundert, dazu das Beizen und Lackieren per Hand, das Auftragen von Blattgold, das Schärfen von Arbeitsgeräten und das Politieren mit Schelllack. „Ich bin sehr glücklich, die Chance gehabt zu haben, all dies kennenzulernen. Die Erfahrungen in dieser tollen Werkstatt, mit ihrem beeindruckenden Leiter, haben mir eine neue Perspektive als Tischlerin aufgezeigt und mich in meiner Persönlichkeit als Tischlerin gestärkt.“, ergänzt Antonia.
Ihr abschließendes Fazit lautet: „Der ganze Aufenthalt in Wien hat mich stark geprägt und mir die Möglichkeit gegeben, mich selbst neu kennenzulernen. Ich gehe selbstbewusster und mit erweitertem Horizont aus dieser Erfahrung heraus. Sowohl beruflich als auch persönlich konnte ich mich weiterentwickeln.“
Nach der Ausreise ist vor der Ausreise! Der nächste Infoabend für den kommenden Durchgang wird am 25.01.2023 um 18 Uhr am Paul-Spiegel-Berufskolleg stattfinden.