Die Mitwirkenden beim Expertentag: hintere Reihe v.l. : Patrick Sandfort, Juliane Mohr, Jens Peters, Gaby Schulte, Stephanie Lütke Brintrup. Vordere Reihe v.l.: Sylvia Sahl-Beck (Abteilungsleiterin), Ina Mielke, Hubert Bonekamp, Ulrike Eselgrim (Lehrerin)
Für viele Jugendliche ist die Frage der Berufswahl eine heikle Angelegenheit. Gilt es doch eine Entscheidung zu treffen, die den ganzen Lebensweg beeinflusst. Gut, wenn die jungen Erwachsenen dann mit dieser Entscheidung nicht allein gelassen werden, sondern auf ein Netzwerk vielfältiger Fachkompetenz zurückgreifen können. Dieses Glück haben die Schülerinnen und Schüler des Beruflichen Gymnasiums für Gesundheit und Soziales mit dem Schwerpunkt Pädagogik, das in Warendorf unter dem Dach des Paul-Spiegel-Berufskollegs beheimatet ist. Viele Schüler haben sich ganz bewusst für das Berufliche Gymnasium für Gesundheit und Soziales entschieden, weil ihnen schon klar ist, dass sie im sozialen, pädagogischen oder medizinischen Bereich beruflich tätig sein wollen. Daher lautet für sie die interessante Frage: Welche Berufsfelder eröffnen sich in diesen Bereichen? Welche Eigenschaften muss ich für einen solchen Beruf mitbringen, und fühle ich mich den Anforderungen gewachsen? Was macht ein solcher Beruf mit mir und meinem Leben? Um diese Fragen beantworten zu können, reicht es nicht aus, die Nase ins Lehrbuch zu stecken. Einen viel tiefer gehenden Einblick erhält man, wenn man Menschen mit Erfahrung aus sozialen, pädagogischen und medizinischen Berufsfeldern im Gespräch begegnet oder ihre Arbeitsplätze besucht, um an Ort und Stelle zu erleben, wie ihr beruflicher Alltag aussieht.
Bei einem Besuch der Frühförderstelle des Kreises Warendorf wurde den Schülerinnen und Schülern im Gespräch mit deren Leiter Stefan Hunfeld deutlich, wie vielfältig die Hilfen für Familien mit behinderten Kindern aussehen können und wie früh die Unterstützung für die Eltern einsetzt. Auch die Freckenhorster Werkstätten lernten die Schülerinnen und Schüler im Rahmen einer Führung kennen. Dort besuchten sie behinderte Menschen bei der Arbeit, die ihnen mit sichtlicher Freude ihren Arbeitsplatz und ihre Tätigkeit vorstellten. Schülerin Lara Nordhaus äußerte sich begeistert: „Ein toller Besuch, bei dem ich viele Erfahrungen sammeln konnte. Nun überlege ich, dort ein Praktikum zu absolvieren“.
Auch das Rochus-Hospital in Telgte war Ziel einer Exkursion. Die Einrichtung unterstützt die Berufsorientierungswoche des Beruflichen Gymnasiums für Gesundheit und Soziales seit Jahren mit großem Engagement. Ein Sozialarbeiter, eine Pflegerin, ein Psychologe und eine Stationsärztin nahmen sich viel Zeit, um den Schülerinnen und Schülern viele Facetten des Rochus-Hospitals näher zu bringen und standen für alle Fragen zur Verfügung. „Sehr interessant und informativ. Mir war nicht bewusst, was es für unterschiedliche Berufe dort gibt“, fasste Schülerin Linda Kamp ihren Eindruck zusammen.
An einem Tag arbeiteten die Schülerinnen und Schüler mit Mitarbeiterinnen der Theaterpädagogischen Werkstatt Osnabrück an Ausdruck und Körpersprache. Da in sozialen Berufen die Kontaktaufnahme zu anderen Menschen besonders wichtig ist, wurde die eigene Wirkung auf andere reflektiert und in verschiedenen Übungen daran gearbeitet, mit kleinen Signalen der nonverbalen Kommunikation einen besseren Zugang zu anderen Menschen zu finden.
Was verrät meine Körpersprache unabhängig von der Mimik – Einblick in den Workshop mit der Theaterpädagogischen Werkstatt Osnabrück
Da man jedoch nicht alle Experten an ihrem Arbeitsplatz besuchen konnte, wurden an einem Tag Vertreter verschiedener Berufsfelder aus den Bereichen Gesundheit und Soziales zum Gespräch eingeladen. Die erste Gesprächsrunde war dem Bereich Gesundheit gewidmet. Stephanie Lütke Brintrup (Fachärztin für Allgemeinmedizin), Patrick Sandfort (Fachkrankenpfleger und pflegerische Leitung zentrale Notaufnahme) und Jens Peters (Geschäftsführer des DRK Warendorf) berichteten von ihrem beruflichen Werdegang und aus ihrem Arbeitsalltag. Sie beschrieben eindrucksvoll die Gratwanderung zwischen persönlicher Anteilnahme und Abgrenzung zum Selbstschutz, die beim täglichen Umgang mit Krankheiten, Verletzungen und Todesfällen nötig ist. Für kurzzeitige Heiterkeit, aber auch Nachdenklichkeit sorgten die zum Teil sehr farbigen Schilderungen unappetitlicher Details, mit denen Helfer in Notsituationen konfrontiert werden können. Schon in der Ausbildung müssen eigene Hemmungen überwunden werden. So bekannte Stephanie Lütke Brintrup: „Nach dem Präp-Kurs konnte ich lange Zeit kein Hühnchen mehr essen.“ Alle drei waren sich einig, dass in der medizinischen Versorgung Teamarbeit ein wichtiger Faktor ist und dass sich Notfallsanitäter, Ärzte und Pflegekräfte im Idealfall blind aufeinander verlassen können.
Die zweite Gesprächsrunde stand unter dem Stichwort „Pädagogik“. Hier berichtete Ina Mielke (Studentin der Psychologie) von ihrem Studiengang sowie den sich daraus ergebenden beruflichen Möglichkeiten und räumte mit Vorurteilen gegenüber Psychologen auf. „Nein, wir lernen nicht Gedanken lesen!“, widerlegte sie lachend eine ihr gegenüber geäußerte Vermutung. Gaby Schulte (Leiterin vom Familienzentrum Kita Kunterbunt) erzählte von ihrem beruflichen Werdegang, der eng mit dem Aufbau der Kita Kunterbunt verknüpft ist. Sowohl in der U3- als auch in der Über-Mittag-Betreuung nimmt die Kita eine Vorreiterrolle ein. Als wichtige Eigenschaften für einen Beruf im Erziehungsbereich nannte sie eine robuste Gesundheit, Beziehungsfähigkeit und die Fähigkeit, pädagogische Entscheidungen unbeeinflusst von „dicken Tränen in großen Kulleraugen“ treffen zu können.
Hubert Bonekamp gab einen Einblick in verschiedene Stationen, die sich beruflich an sein Sozialpädagogikstudium anschlossen. Als Bereichsleiter der Erziehungshilfe St. Klara koordiniert er zurzeit mehrere Teams der ambulanten Familienhilfe und ist in der systemischen Familienberatung tätig. Er machte deutlich, dass die eigene Lebenserfahrung und Persönlichkeitsentwicklung entscheidend für die beruflichen Einsatzmöglichkeiten in der Sozialpädagogik ist. Als unerlässliche Eigenschaft nannte er Teamfähigkeit. Juliane Mohr vertrat das Programm „lernen und fördern“ in Münster, welches sich zum Ziel gesetzt hat, lernbehinderte Jugendliche innerhalb eines Jahres in eine Ausbildung zu überführen. Sie beschrieb ihre Tätigkeit als sehr abwechslungsreich, da die Teilnehmer sehr unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen und über unterschiedliche Maßnahmen wie Berufsberatung, berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen, ausbildungsbegleitende Hilfen und eine sehr individuelle Betreuung in die Berufstätigkeit geführt werden sollen.
Die Schülerinnen und Schüler verfolgten die Ausführungen der Experten mit großem Interesse und nutzten ausgiebig die Gelegenheit Nachfragen zu stellen.
Abgerundet wurde die Berufsorientierungswoche durch einen Besuch der Messe „Campus Dual“ in Beckum, wo vielfältige Informationen zu Dualen Studiengängen geboten wurden.
In der abschließenden Reflexionsrunde äußerten sich die Schülerinnen und Schüler des Beruflichen Gymnasiums für Gesundheit und Soziales durchweg positiv über die Erfahrungen der Woche, die ihnen noch lange im Gedächtnis bleiben werden und so manchen eine Unterstützung bei der Berufswahl geben werden. Schüler Dennis Reimann kommentierte: „Durch die Berufsorientierungswoche kristallisierte sich der Bereich meines – nun – Traumberufes heraus.“
Das Organisationsteam und die Abteilungsleiterin des Beruflichen Gymnasiums Gesundheit und Soziales mit dem fachlichen Schwerpunkt Pädagogik, Sylvia Sahl-Beck, zeigten sich sehr erfreut über die große Bereitschaft zur Unterstützung, die die die Berufsorientierungswoche zu einem Erfolg werden ließ.