Das Abitur in den Zeiten von Corona
Marina Winkelmann aus dem Kunstkurs der Stufe 13 des beruflichen Gymnasiums Gesundheit und Soziales hat das Lernen unter Corona-Bedingungen gezeichnet
„Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ ist der Titel eines Romans des kolumbianischen Literaturnobelpreisträgers Gabriel García Márquez. Es geht darin um eine komplizierte Liebesgeschichte und nur am Rand um die Rolle der Krankheit. In den sehr realen und bedrückenden Zeiten von Corona stehen 86 Schülerinnen und Schüler der beiden beruflichen Gymnasien am Paul-Spiegel-Berufskolleg Warendorf alles andere als fiktiv in den Abiturprüfungen. „Es ist ganz bemerkenswert“, findet Abteilungsleiterin Sylvia Sahl-Beck, „wie freundlich und diszipliniert sich alle diesen besonderen Herausforderungen stellen.“ Sie ist gemeinsam mit den Klassenlehrerinnen und -lehrern der fünf Abschlussklassen gerade dabei, die Schülerinnen und Schüler der Stufe in kleinen Gruppen über ihre Zulassung zur Prüfung zu informieren.
Wie blicken die zukünftigen Absolventinnen und Absolventen zurück? Und wie nach vorne? „Eine große Unsicherheit hat diese ganze letzte Phase geprägt“, sagt Lars Roggenkemper, (Klasse GE13B des Beruflichen Gymnasiums für Gesundheit und Soziales). „Wann schreiben wir die Klausuren? Finden die Abiturprüfungen überhaupt statt? Die Diskussion auf der politischen Ebene hat großen Einfluss auf das Lernen zuhause gehabt. Hier hätte ich mir viel früher mehr Klarheit gewünscht.“ Ähnlich sieht es Marie Marx (Klasse GW13A des Beruflichen Gymnasiums für Wirtschaft und Verwaltung): „Das Hin und Her war zu viel. Eigentlich bin ich mental ziemlich stabil, aber auch ich hatte zeitweise das Gefühl, mir steigt alles über den Kopf.“ Neben dem mentalen Stress seien für andere auch die äußeren Lernbedingungen manchmal sehr schwierig gewesen: „Zuhause war es unruhig oder es gab Risikopersonen in der Familie. Und die Kontaktsperren haben es nicht möglich gemacht, sich zu treffen und gemeinsam zu lernen. Sich über Video auszutauschen war möglich, aber das ist nicht dasselbe.“
Clara Hövener (Klasse GE13B) haben die vielen Fake-News zugesetzt, die über das Thema „Abitur ja oder nein?“ in den sozialen Medien kursierten und sie zeitweise von der Konzentration auf den Lernstoff abgehalten haben. „Jetzt freue ich mich richtig auf die Prüfungen!“, sagt sie, „Keine Lust mehr aufs Lernen!“ Sehr zufrieden ist sie mit der Abiturvorbereitung, die direkt nach der Wiederöffnung der Schule vor Ort stattgefunden hat: „Wir konnten unsere Fragen klären.“ „Super“ fand Lars Roggenkemper die Workshops: „Man konnte feststellen, was man kann und wie viel man kann.“ Für Marie Marx hätten die Workshops noch intensiver sein können. Als grundsätzlich „facettenreich und umfassend“ beschreibt Sylvia Sahl-Beck die Workshops: „Wir haben alle Bedarfe bedient und besonders freut mich, dass nahezu alle Schülerinnen und Schüler immer da waren und unsere Angebote angenommen haben.“
Julius Becker (Klasse GW13A) hat sich trotz aller Unsicherheiten von Seiten der Schule gut beraten gefühlt und beim Home-Schooling die digitale Lernplattform der Schule genutzt: „Das hat gut geklappt. Und da wir eine Laptop-Klasse sind, war auch die technische Grundversorgung gegeben.“ Aber ein komisches Gefühl sei es gewesen, von heute auf morgen nicht mehr zur Schule kommen zu können. „Ich hatte mich auch sehr darauf gefreut, nach den Prüfungen auf dem Abi-Ball mit den anderen zu feiern. Und die Abi-Reisepläne stehen jetzt auch infrage“, ergänzt er. Dass die Motto-Tage weggefallen sind, finden Clara und Lars nicht ganz so schlimm. „Zum Feiern ist später auch noch genug Zeit,“ meint Lars – die passenden Infektionsschutzvorgaben natürlich vorausgesetzt. Clara hofft, dass alle Prüfungen gut durchgeführt werden können, insbesondere auch die mündliche, die sie möglichst bei ihrem vertrauten Lehrer ablegen möchte.
Kunstlehrerin Claudia Böhm hat den Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 13 Gelegenheit zu einem Kunstprojekt gegeben, das sie während der Abiturworkshops begonnen hatte. Unter ihrer Anleitung und unter Wahrung der Infektionsschutzmaßnahmen nahm eine „soziale Plastik“ Gestalt an: Fotos einzelner Hände von Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften auf einem weißen Blatt Papier und mit einer schwarzen Filzstiftlinie übermalt. „Aus den mit Abstand aneinandergereihten Fotos entsteht ein zweidimensionales Kunstwerk, das sowohl für Distanz wie auch für Verbundenheit steht“, erläutert Claudia Böhm. „Ziel des Projekts sollte sein, die gesamte Abiturientia 2020 des Berufskollegs einschließlich der Lehrerinnen und Lehrer miteinander in Verbindung zu bringen und dennoch die Individualität und Vereinzelung des Individuums zu zeigen.“
Die Figuren Florentino und Daza aus „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ finden am Ende der Handlung in Márquez‘ Roman zusammen. Ein Happy-End kann man auch den Schülerinnen und Schülern in diesen Zeiten ganz besonders herzlich wünschen.